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Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter (Gender Trouble)

I. Biografie

Judith Butler wurde 1954 in Cleveland, Ohio (USA) geboren und ist Tochter einer ungarischen Wirtschaftswissenschaftlerin und eines russischen Zahnarztes, die beide praktizierende Juden waren. Ihren jüdischen Ethikunterricht betrachtet sie als erste philosophische Schulung, in ihrer Jugend begann sie aber auch philosophische Schriften, die ihre akademisch gebildeten Eltern zuhause hatten, zu lesen, darunter Montesquieu, Locke und Spinoza. Von 1974 bis 1982 studierte sie an der Yale University Kontinentalphilosophie, währenddessen verbrachte sie auch ein akademisches Jahr in Heidelberg und beschäftigte sich dort mit dem deutschen Idealismus. Nach dem Studium lehrte sie in Yale, und promovierte 1984 mit einer Dissertation über den Begriff der Begierde von Hegel. 1990 veröffentlichte sie ihr bedeutendstes Werk "Das Unbehagen der Geschlechter" (engl. "Gender Trouble"), und nach einer Professur an der Johns-Hopkins-Universität wechselte sie 1993 an die University of California, wo sie heute Professorin für Rhetorik und Komparatistik ist. Sie lebt mit der Politologin Wendy Brown zusammen.

2012 erhält sie als erste Frau den Theodor-Adorno-Preis, der für herausragende Leistungen in den Bereichen Philosophie, Musik, Film und Theater im Andenken an Theodor Adorno verliehen wird, der bis 1969 an der Goethe-Universität in Frankfurt lehrte. Um die Verleihung gab es heftige Diskussionen und Proteste, da Butler die Terrororganisationen Hamas und Hisbollah als progressiv, der globalen Linken und einer sozialen Bewegung angehörend sah, da sie letztendlich einen Kampf gegen Kolonialismus und Imperialismus führten, außerdem unterstützt sie die Boykottbewegung BDS ("Boycott, Divestment and Sanctions"), eine internationale ökonomische und akademische Organisation israelischer Nicht-Regierungsgruppen, die zu Sanktionen gegen Israel aufrufen, um die universellen Prinzipien der Menschenrechte durchzusetzen. Butler befürwortet die Gewalttaten der Hamas natürlich nicht, ihre Aussagen seien rein analytisch und deskriptiv, dennoch wird sie von den Medien, obwohl sie selbst Jüdin ist, als Israel-Hasserin und Ähnliches bezeichnet. Sie gilt als eine der bedeutendsten Mitbegründerinnen der Queer-Theorie (quuer theory), die sich kritisch mit den Beziehungen zwischen Geschlecht (sex), Geschlechtsidentität (gender) und Begehren (desire) befasst.

II. Das Unbehagen der Geschlechter / Gender Trouble

Kapitel 1: Die Subjekte von Geschlecht / Geschlechtsidentität / Begehren

Im ersten Kapitel kritisiert Butler zunächst die Vorgehensweise des bisherigen Feminismus, der einerseits die Kategorie "Frau/en" als Subjekt hat und andererseits unterscheidet zwischen "sex", also biologischem Geschlecht, und "gender", der kulturell entwickelten Geschlechtsidentität.
Ziel des Feminismus ist die Erweiterung der Repräsentation der Frauen, nach Butler ist aber schon diese feste Identifizierung eine Fehlrepräsentation, da eine feste Identität grundsätzlich andere ausschließt. Deshalb fordert sie eine Erweiterung der Kategorie, um einerseits die fiktive Universalität der Frauen, die sie aus ethnischen, rassischen, sexuellen und kulturellen Zusammenhängen reißt, und die paradoxe Tatsache, dass die Kategorie, die repräsentiert werden soll, selbst erst durch die patriarchalen und binären Machtstrukturen, innerhalb derer sie besser repräsentiert werden soll, produziert wird, vermieden wird.
Damit meint sie, dass in unserer Gesellschaft eine patriarchale Ordnung herrscht, die durch Binarität und Zwangsheterosexualität die Geschlechteraufteilung in männlich und weiblich bestimmt, wobei das Männliche für das entleiblichte Universelle steht, und das Weibliche für das Nicht-Repräsentierbare und Körperliche, was der patriarchalen Macht dient. Bei dieser Aussage bezieht sie sich auf die Feministinnen Simone de Beauvoir, Monique Wittig und Luce Irigaray.
Die vorausgesetzte Binarität (sexuell) bestimmt auch die Unterscheidung zwischen "sex" und "gender", welche bisher wichtig war um aufzeigen zu können, dass aus dem biologischen Geschlecht nicht unbedingt die entsprechende Geschlechtsidentität folgt, d.h. dass diese beiden Termini nicht kohärent sind, so kann sich z.B. ein männlicher Körper auch als Frau fühlen, d.h. eine weibliche Geschlechtsidentität haben, Biologie muss also nicht Schicksal sein. Butler weist jedoch darauf hin, dass aus einem binären Erscheinen des biologischen Geschlechts nicht eine ebenfalls eine binäre Geschlechtsidentität geschlossen werden kann.
Sie schreibt bewusst "erscheinen", weil sie der Überzeugung ist, dass auch das anatomische Geschlecht diskursiv produziert wurde. Das heißt, dass der Körper ohne Zuschreibung eines Geschlechts mittels Sprache nicht als Subjekt anerkannt wird, die sprachliche Einschreibung eines Geschlechts in einen Körper beschreibt nur die Wahrnehmung, die gesellschaftlich nötig ist, damit er überhaupt als solcher existieren kann, sie entspricht aber nicht der Wahrheit.
Im bisherigen Diskurs über das Geschlecht wird der Körper aber als vordiskursive Gegebenheit verstanden, d.h. er wird naturalisiert und nicht in Frage gestellt, deshalb ist auch die scheinbare Binarität des Körpers immer Voraussetzung bei der Geschlechterkonstruktion, was zu einer Binarität der Geschlechter selbst führt. Butler zufolge ist diese Binarität aber nicht die Ursache, sondern lediglich ein Effekt des Diskurses, der durch ihn selbst verschleiert wird und als Ursache dargestellt wird. Sie ist ebenfalls in der Sprache präsent, die die Sexualität zusätzlich binär reguliert und produziert und somit ihre Vielfältigkeit unterdrückt, und außerdem in ihrer Verwendungsweise frauenfeindlich ist.
Sie sieht es deshalb als Aufgabe der Genealogie, eine mögliche Geschichte der Geschlechter aufzudecken, die beides, "sex" und "gender", als kulturell und die Binarität als verschiebbare Konstruktion enthüllt. Für sie ist der Körper also nur ein kulturelles Medium und ohne Zuschreibung eines Geschlechts nicht in der Form existent. Im Gegensatz zu "Biologie ist Schicksal" gälte dann "Kultur ist Schicksal". Ihr Denken ist für die Politik bedeutender als für die Philosophie, sie plädiert für eine feministische Bündnispolitik, die nicht die "Frau" als Subjekt voraussetzt, sondern die dialogische Artikulation von Identitäten ermöglicht, um so den Ausschluss neuer Identitäten zu verhindern, somit ist auch nicht unbedingt Einheit das Ziel. Sie beschäftigt sich auch mit der Identität an sich, die stabilisiert wird durch Geschlecht, Geschlechtsidentität und Begehren ("sex", "gender", "desire"). Entspricht etwas davon nicht der gesellschaftlichen Norm, die durch die Zwangsheterosexualität als kohärente Geschlechtsidentität reguliert und produziert wird, d.h. dass Geschlecht, Geschlechtsidentität und Begehren jeweils einander wiederspiegeln, so wird der Begriff der Person selbst in Frage gestellt und ihre andere Identität als Entwicklungsstörung oder logische Unmöglichkeit betrachtet, die von der kulturellen Matrix ausgeschlossen wird. Butler sagt jedoch, dass gerade diese Kohärenz nicht vorhanden ist.
Um die Frage, ob man eine Geschlechtsidentität hat oder ist (vgl. engl. "What gender are you?") zu klären, erklärt sie, dass man bspw. zur Frau wird (vgl. Beauvoir), man übernimmt sie also, und das geschieht performativ, die Geschlechtsidentität ist also ein "Tun" (vgl. drag queens).
Judith Butler fordert eine Dekonstruktion der Geschlechter, die die Strukturen des machtbestimmten Diskurses aufdeckt und neu konstruiert, sowie eine Erweiterung der im Feminismus verwendeten Kategorie "Frau".

Kapitel 2: Das Verbot, die Psychoanalyse und die Produktion der heterosexuellen Matrix

In diesem Kapitel geht Butler näher auf Verwandschaftssysteme und das Inzestverbot bei Claude Lévi-Strauss sowie die Maskerade der Weiblichkeit nach Joan Riviere und Jacques Lacan ein.
Nach Lévi-Strauss haben Frauen im Verwandschaftssystem keine Identität, sie fungieren nur als Tauschobjekte zwischen den Sippen, sind also nur ein Verbindungsterm. Das heißt, es wird eine Verbindung zwischen Männern mittels des heterosexuellen Austauschs einer Frau vollzogen, es ist also ein wechselseitiger Austausch zwischen Männern, nicht aber zwischen den Geschlechtern, was als homosoziales Begehren aufgefasst wird.
Das zentrale Inzestverbot deutet für sie darauf hin, dass es erstens nicht heißt, dass es auch wirkt, und zweitens, dass gerade dieses Tabu eine erotisierende Wirkung hat und Inzestwünsche, Inzesthandlungen und Inzestpraktiken gerade aufgrund dessen entstehen. Die Sprache entstand ihrer Meinung nach nur, um dieses urverdrängte Begehren zu verschieben und es zu ersetzen, was aber nur bedingt gelingt, da es der Sprache nicht möglich ist, richtig zu bezeichnen. Das heterosexuelle Begehren des Mannes erklärt sich für sie ebenfalls durch das Urverdrängen des Inzestbegehrens, da sie die Frau als sprachlich verschobenen Körper der Mutter ansieht.
Die Weiblichkeit als Maskerade (vgl. Rivieres "Womanliness as a Masquerade") ist Butler zufolge ein performatives Produkt der sexuellen Ontologie, eine Erscheinung, die sich selbst als "Sein" darstellt und das weibliche Begehren verleugnet (weil das heterosexuelle männliche Begehren vorherrscht, das Weibliche ist unterdrückt und verhüllt bzw. unbestimmt und wäre zu offenbaren). Das hieße bei der homosexuellen Frau, dass sie durch die Maske der Weiblichkeit ihre männliche Identifizierung versteckt, um der gesellschaftlichen Norm zu entsprechen, und umgekehrt beim homosexuellen Mann, dass er seine weibliche Identität durch Männlichkeit maskiert. Die Homosexualität an sich, die gemeinhin als Effekt heterosexueller Enttäuschung aufgefasst wird, ist möglicherweise genau das Gegenteil, nämlich die Ursache für die Heterosexualität, aufgrund homosexueller Enttäuschung bzw. Zurückweisung durch Homosexuelle, hier sind v.a. homosexuelle Frauen gemeint, die Männer zurückweisen.
Aus der binären Beschränkung der kulturellen Matrix und der Sexualität erschließt sich eine vorkulturelle Bisexualität, wenn Binarität überall die Voraussetzung ist, welche beim Eintritt in die Kultur aufgrund der Machtstrukturen jedoch zu Heterosexualität zerfällt.
Die Differenzierung der Geschlechtsidentitäten, die aus dem Inzesttabu, dem Tabu gegen Homosexualität und den binären heterosexuellen Machtstrukturen hervorgeht, ist ein naturalisierender Prozess, sowie die entsprechenden Lüste. Diese sind angeblich im Penis bzw. der Vagina und den Brüsten verortet, es werden also während dem Differenzierungsprozess durch die Strukturen der Geschlechtsidentität manche Organe für die Lust abgetötet und andere dafür "zum Leben erweckt", um dem normativen Ideal des geschlechtsspezifischen Körpers zu entsprechen (vgl. Transsexuelle, bei denen Lüste und Körperteile nicht zusammenpassen).

Kapitel 3: Subversive Körperakte

Im dritten Kapitel geht Butler kritisch auf die Körperpolitik von Julia Kristeva ein und behandelt Herculine mit Bezug auf Foucault, sowie Monique Wittig und die Rolle des Körpers.
Kristeva bezeichnet die poetische Sprache, das "Semiotische", als Wiedererlangung des mütterlichen Körpers innerhalb der Sprache, da sie aufgrund ihrer vielfältigen Begriffsmodalitäten vom patriarchal strukturierten "Symbolischen" der Sprache, welches gänzlich abstrakt und eindeutig ist, unkontrolliert ist. Für sie sind die poetische Sprache und die Mutterschaft der einzige Weg für Frauen, um zu dem mütterlichen Körper zurückzukehren, von dem sie nach der Stillzeit, also der körperlichen Abhängigkeit, und durch das Inzesttabu getrennt wurden.
Butler kritisiert an Kristevas Theorie, dass sie die Mutterschaft bzw. den mütterlichen Körper als vordiskursiv und vor dem patriarchalen Gesetz ansieht, und dabei unterschlägt, dass sie/er möglicherweise nur ein Effekt dessen ist.
In Rückbezug auf Foucault weist sie darauf hin, dass die Mutterschaft, die der Frau vorangeht und sie gleichermaßen definiert, eine soziale Konstruktion ist, die durch den Diskurs produziert wurde. Nach Foucault ist die Sexualität eine geschichtlich spezifische Organisation von Macht, Diskurs, Körpern und Affektivität, die das Geschlecht als Kategorie erst hervorbringt und den Körper sexuell bestimmt, das hieße also auch, dass der mütterliche Körper ebenfalls diskursiv produziert wurde bzw. ein Effekt des Sexualitätssystems ist, in dem der weibliche Körper die Mutterschaft als Wesensbestimmung und Gesetz seines Begehrens annehmen muss.
Butler zufolge ist eine Subversion des Gesetzes nur als eine Subversion unter dessen Bedingungen möglich, d.h. mit seinen Möglichkeiten, indem es sich gegen sich selbst wendet und neue Permutationen seiner selbst erzeugt, man muss sich also von der Illusion eines "wahren" Körpers jenseits des Gesetzes lösen. Die Parodie ist Butler zufolge ein konkretes Beispiel für Subversion (Travestie, Cross- Dressing), um die Strukturen der Geschlechtsidentität zu karikieren.
Sie geht außerdem auf Foucaults Texte über Herculine ein, einem französischen Hermaphrodit aus dem 19. Jahrhundert. Er schreibt über ihre/seine früheren Tage, dass sie/er in einem "glücklichen Limbus der Nicht-Identität" lebte. Hier kritisiert Butler, dass diese Aussage seinem früheren Werk "The History of Sexuality" widerspreche, weil er eine glückliche, vorkulturelle Identität beschreibt, obwohl er zuvor darlegt, dass eine "wahre" sexuelle Identität außerhalb der Kultur eine Illusion sei. Sie sagt außerdem, dass Foucault, der Herculines Sexualität als utopisches Spiel der Lüste ohne Einschränkung der Kategorie Geschlecht sieht, nicht erkennt, dass diese Lüste Teil des Gesetzes sind und durch dieses produziert werden, und sich ihm nicht etwa widersetzen – das Begehren der Frauen aufgrund des erotisierenden Tabus der Homosexualität oder der Zwangsheterosexualität. Die Vermischung seiner/ihrer geschlechtlichen Attribute und der daraus folgenden Uneindeutigkeit seines/ihres Geschlechts bedeutet für Butler außerdem, dass die eindeutige Bestimmung des Geschlechts, welches als unvergänglich und substantivisch gilt und dem die bestimmten Attribute zugeordnet werden, eine Illusion ist.
In Bezug auf Wittig geht sie nochmals auf ihre bereits im ersten Kapitel dargelegte Sichtweise über Geschlecht ein, nämlich dass dieses schon immer weiblich sei, da das Männliche als sexuell unbestimmt und universell gilt, und die Kategorie des Geschlechts nicht unveränderlich oder natürlich ist, sondern politisch zu spezifischen Zwecken eingesetzt wird und die Sexualität reproduziert, d.h. die Aufteilung des menschlichen Körpers in zwei verschiedene Geschlechter dient nur den ökonomischen Bedürfnissen der Heterosexualität, somit ist schon die Kategorie "Geschlecht" an sich kulturell und politisch generiert. Zudem seien Lesben eine Art dritte Geschlechtsidentität, da sie nicht als stabilisierender Term der Binarität und Gegensätzlichkeit der Beziehung zu einem Mann dienen, sie überschreiten also den Gegensatz von Mann und Frau und sind dadurch keins von beidem.
Des Weiteren behauptet Wittig, dass sogar schon die Bezeichnung der Körperteile eine Fiktion ist und diese dadurch konstruiert, da die Sprache durch langzeitige Wiederholung Realitäts-Effekte verursacht, die irgendwann als Fakten gesehen werden.
Zuletzt diskutiert Butler die Rolle des Körpers, der stets als vordiskursiv und natürlich gegeben betrachtet wird, ohne auf geschichtlich bedingte Einwirkungen einzugehen oder sie zuzugestehen. Die Geschichte schafft Werte und Bedeutungen, die den Körper durch eine Bezeichnungspraxis unterwerfen, der Körper wird als träge Materie verstanden, wie ein leeres Blatt Papier, das von der Geschichte unablässig beschrieben wird. Butler kritisiert hier, dass vor diesen Einschreibungen also eine Materialität vorausgesetzt wird, die nicht hinterfragt oder genealogisch erforscht wird. Die Genealogie des Körpers soll die Regulierungsverfahren nachzeichnen, die den Körper begrenzen, um bestimmte Tabus über Grenzen und Austauschmöglichkeiten zu setzen (vgl. AIDS-Phänomen bei homosexuellen Praktiken), die Konstruktion beruht auf festgelegten Stellen der Körperdurchlässigkeit bzw. -undurchlässigkeit. Die Begrenzungen des Körpers werden ebenfalls durch die Konstruktion des Nicht- Ichs gebildet. Die Seele, die ein strukturierender Innenraum des Körpers sein soll, ist vielmehr eine Einschreibung auf dem Körper, der das darstellt, was die Seele nicht ist, denn sie ist eine Oberflächenbezeichnung (vgl. Foucaults Gefängnisinsassen, die das prohibitive Gesetz nicht verinnerlichen, sondern es sich einverleiben und als ihr Wesen betrachten), dasselbe gilt für die Geschlechtsidentität. Ihre Identifizierung geschieht performativ durch konstruierte Akte, Gesten und Inszenierungen, die durch leibliche Zeichen und "andere diskursive Mittel" eine fiktive Identität aufrechterhalten, die die Illusion eines inneren "Organisationskerns" der Geschlechtsidentität schafft und somit eine politische diskursive Produktion als Innerlichkeit darstellt. Als Beispiel hierfür zieht sie die Travestie heran, bei der die Geschlechtsidentität ganz offensichtlich durch die "gender performance", also die Darstellung und Imitation, zur Schau getragen wird, sie offenbart also die Imitationsstruktur der Geschlechtsidentität. Durch die Performanz, die die Unterschiedenheit von Geschlecht und Geschlechtsidentität eingesteht und ent-naturalisiert, werden die kulturellen Mechanismen ihrer erfundenen Einheit offenbart. Bei dieser Imitation ist ein Original als solches nicht erforderlich, denn die Geschlechtsidentität, die imitiert wird, ist selbst nur eine Imitation ohne Original. Sie darf nicht als feste Identität konstruiert werden, da sie in zeitlicher und kollektiver Dimension durch die stilisierte Wiederholung der Akte konstruiert wird, durch die Stilisierung des Körpers ensteht der Effekt der Geschlechtsidentität. Geschlechtlichkeit ist demnach nicht substantiell, sondern eine "gesellschaftliche Zeitlichkeit", die niemals vollständig verinnerlicht werden kann, weil sie eine Oberflächenbezeichnung mit phantasmatischem Charakter ist.
Geschlechtsidentität ist letztlich also nicht expressiv sondern performativ, das bedeutet, dass die Attribute der Geschlechtsidentität, die diese angeblich nur ausdrücken sollen, sie in Wahrheit erst konstituieren, es gibt also keine vorgängige Identität, somit gibt es weder wahre noch falsche, wirkliche oder verzerrte Akte der Geschlechtsidentität, die "wahre" geschlechtlich bestimmte Identität ist also eine Fiktion, die die Möglichkeiten zur Veränderung und Vervielfältigung der Geschlechtsidentität unterschlägt.

III. Kritik

Indem Butler behauptet, dass wir jegliche Realität im Diskurs erst konstruiert haben, es nichts außerhalb des Diskurses gibt, und nur mittels Sprache das erkennen können, was durch Sprache mittels Bezeichnung erkennbar geworden ist und Bedeutung bekommen hat, eliminiert sie einfach die Probleme sämtlicher Erkenntnistheorien, indem sie "wahre" Erkenntnis für unmöglich erklärt. Dabei ist gerade das, die möglichst genaue Bestimmung von Begriffen des Abstrakten, die grundlegende Aufgabe der Philosophie.
Es ist zudem ein nicht endender Zirkel, zu behaupten, dass etwas durch das erst konstruiert wird, was es repräsentieren soll – die Geschlechtsidentitäten durch die "Attribute", die nirgends näher ausgeführt werden. Sind körperliche Merkmale gemeint? Oder kulturell geschlechtertypisches Verhalten? Und was war dann zuerst da, das Huhn oder das Ei? Will sagen, der Diskurs oder das Subjekt? Schließlich muss der Diskurs ja von jemandem ausgeführt werden, es gibt keine Tätigkeit ohne Täter, wie sie weis machen will.
Wahr ist durchaus, dass Performanz und Sprache sowie die eindeutig heterosexuellen und binären Machtstrukturen die Geschlechtsidentität bestimmen, die wie sie selbst sagt nicht substantiell ist, jedoch ist die Behauptung, dass das ebenfalls auf den Körper zutrifft, sehr weit her geholt.
Sprache mag Effekte auf die Wahrnehmung der Realität haben, nicht aber auf die Realität selbst, schon gar nicht die Biologie. Die biologische Entwicklung eines Fetus hatte noch überhaupt keinen Kontakt zur außerhalb liegenden Kultur und Sprache, und doch entwickeln sich hier bereits die Geschlechtsmerkmale. Es gibt natürlich Abweichungen und Ausnahmen, man denke an die Hermaphroditen, daher ist der Ansatz, die Kategorie "Geschlecht" zu erweitern durchaus berechtigt, ihre Existenz aber als Effekt des Diskurses zu betrachten ist sehr unrealistisch. Vor allem, wie soll der sprachliche Diskurs geschlechtlich bestimmte Körper produzieren, wenn es außerhalb des Diskurses nichts gibt? Soll etwa eine Wortschöpfung vorgenommen werden, wie es in der christlichen als auch jüdischen Religion erzählt wird? Hier sind ihre jüdischen Wurzeln deutlich zu erkennen. Eine Erweiterung der Kategorie "Geschlecht" und der Geschlechtsidentitäten wäre also durchaus sinnvoll, da Identitäten sehr vielfältig sind und nicht binär zu beschränken, auch wenn es das biologische Geschlecht größtenteils ist, ohne eine gewisse Struktur ist das allerdings sehr utopisch, eine Geschlechterverwirrung könnte außerdem die Folge sein.
Ihre Kritik an der Vorgehensweise des Feminismus ist ebenfalls sehr radikal. Sie ist nicht die erste, die die Identität des Subjekts "Frau" kritisiert, da anfangs damit eigentlich nur weiße Frauen der Mittelschicht gemeint waren, somit ist eine Erweiterung der zu repräsentierenden Identität durchaus angemessen, um auch kulturelle und soziale Unterschiede mit einzubringen, eine Abschaffung eines zu repräsentierenden Subjekts jedoch wäre selbstwidersprüchlich – wie kann man etwas repräsentieren, das nicht festgelegt und somit nicht repräsentierbar ist? Butler liefert also Ansätze, die gesamte Kategorie "Geschlecht" neu zu überdenken und aus heterosexuellen, patriarchalen und binären Machtstrukturen zu reißen, um ihre Vielfältigkeit zu erkennen, und außerdem das heterosexuelle Ideal der Kohärenz von Geschlecht, Geschlechtsidentität und Begehren zu verwerfen. Ihre Behauptung, dass nicht nur die Geschlechtsidentität, sondern auch der Körper mit seinen Lustzentren diskursiv produziert wurde und ihm die Merkmale "eingeschrieben" wurden, ist und bleibt kritisch zu betrachten, zumal sie nirgends die genauen Vorgänge beschreibt, mittels derer biologische Materie durch sprachlichen Diskurs erzeugt wird – es gibt keine.

IV. Quellen

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